Frankreich: Zehnjährige Gewährleistungsversicherung
(„garantie décennale“) im Bauwesen
Juni 2024, Roederer
Seit jeher bestehen in Frankreich für Bauunternehmer besondere Haftungsregeln, die aufgrund der Risiken, denen die Zivilgesellschaft bei schweren Schäden an einem Bauwerk ausgesetzt ist, gerechtfertigt sind.
Die Anfänge dieser Haftung gehen in die Antike zurück: Um 1750 v. Chr. wurde im Codex Hammurabi das Talionsgesetz auf Architekten angewandt, wenn denen vorgeworfen wurde, schlecht gebaut zu haben. Einige wurden sogar zum Tod verurteilt.
Dieses Haftungsprinzip blieb über die Jahrhunderte hinweg bestehen, während der Römerzeit bis hin ins Mittelalter, und wurde im Code Napoléon bestätigt, der das Prinzip der Haftung desjenigen, der baut, beibehielt. Dieser Grundsatz schlug sich in später folgenden Gesetzen und der Rechtsprechung bis hin zum Gesetz Spinetta vom 4. Januar 1978 nieder, das eine Revolution im Bauwesen darstellt.
Ziel dieses Gesetzes, das den Grundstein für das heutige Rechts- und Versicherungssystem in Frankreich bildet, ist es, den Auftraggeber besser zu schützen und gleichzeitig Reparaturen zu erleichtern. Dieses Gesetz zielt insbesondere darauf ab, den Kreis der Personen, die der zehnjährigen Gewährleistungsversicherung („garantie décennale“) unterliegen, zu erweitern und die Qualität der Bauwerke durch eine erhöhte Haftung der Bauunternehmer und eine Neudefinition der Aufgaben des technischen Kontrolleurs zu verbessern. Vor allem aber führt dieses Gesetz eine Pflichtversicherung sowohl für den Bauherrn als auch für den Bauunternehmer, den Ausführer einer Werkleistung, ein.
Dies ist die Geburtsstunde der sogenannten „doppelten Entspannung“, die es ermöglicht, der Reparatur des Bauwerks Vorrang einzuräumen und die Festlegung der Verantwortlichkeiten zwischen den Parteien in den Hintergrund zu stellen.
Die Zeit für die Regulierung von Bauschäden bis hin zur Beilegung des Rechtsstreits sank daraufhin von durchschnittlich fünf Jahren auf wenige Monate, ohne dass der Geschädigte heute zwangsläufig Klage erheben muss.
Im Jahr 1983 kam es zu einer zweiten Revolution in diesem sehr spezifischen Versicherungsmilieu, nämlich als die gesetzlichen Versicherungen auf Kapitalisierung umgestellt wurden. So werden die jährlich erhobenen Beiträge nunmehr dazu verwendet, das Zehnjahresrisiko der im jeweiligen Jahr eröffneten Baustellen zu decken.
Im Gegensatz zur „allgemeinen Haftpflichtverpflichtung“, in deren Rahmen die Versicherung greift, die zum Zeitpunkt des Eingangs der Forderung des Dritten in Kraft ist, ist in diesem Kapitalisierungssystem der zuständige Versicherer derjenige, dessen Vertrag am Datum der Baustelleneröffnung („Date d’Ouverture de Chantier“, „DOC“) läuft.
Dieses Zusammentreffen von Gesetzen und Rechtssystemen führte zu der obligatorischen zehnjährigen Gewährleistungsversicherung, die wir heute in Frankreich kennen. Alle im Bauwesen tätigen Unternehmer müssen sich hiermit auseinandersetzen, wenn sie sich in Frankreich niederlassen.
Bin ich der zehnjährigen Gewährleistungsversicherung unterworfen?
Kann ich eine punktuelle Versicherungslösung finden?
Ist es möglich, in Frankreich eine zehnjährige Gewährleistungsversicherung abzuschließen, ohne eine Tochtergesellschaft zu gründen?
Was kostet diese Versicherung?
Dies alles sind Fragen, die sich ausländische Unternehmen bei einer Auftragserteilung in Frankreich stellen. Der Versicherungsmakler Roederer kann Sie bei diesen Schritten begleiten, Ihren Versicherungsbedarf definieren und nach der besten Lösung zum günstigsten Preis auf dem französischen Markt für Sie suchen.
Die zehnjährige Gewährleistungsversicherung, wie der Name schon sagt, versichert ein Bauwerk über einen Zeitraum von zehn Jahren ab dem Datum der Abnahme des Bauwerks. Unter Abnahme versteht man die Übertragung des Eigentums vom Bauunternehmen auf den Bauherrn.
Hinweis: Die zehnjährige Gewährleistungsversicherung muss vor Eröffnung einer Baustelle abgeschlossen werden, denn, wie oben erwähnt, ist der Versicherer zum Zeitpunkt der Baustelleneröffnung der zuständige Versicherer während der zehnjährigen Garantiezeit.
Der Zweck der zehnjährigen Gewährleistungsversicherung besteht darin, den Bauvorgang in zwei Fällen abzudecken:
- wenn ein Schaden die Stabilität des Bauwerks beeinträchtigt (z. B. wenn ein Teil des Bauwerks einstürzen kann),
- wenn ein Schaden das Bauwerk für den vorhergesehenen Zweck ungeeignet macht (z. B. wenn das Dach undicht ist und das Bauwerk demnach nicht genutzt werden kann).
In beiden Fällen wird das Unternehmen, das die mangelhaften Arbeiten verursacht hat, für den Schaden verantwortlich gemacht und schuldet dem Bauherrn Schadenersatz aufgrund seiner zehnjährigen Verpflichtung.
Nur eine fremde Ursache, für die das intervenierende Unternehmen den Nachweis erbringen muss, kann es ihm ermöglichen, sich von seiner Haftungsvermutung freizustellen.
Eine fremde Ursache kann z. B. durch das Handeln eines Dritten oder bei mangelnder Instandhaltung des Gebäudes durch den Bauherrn vorliegen. In diesem Fall würde die zehnjährige Gewährleistungsversicherung nicht greifen.
Laut dem französischen Gesetz Spinetta müssen folgende Personen/Unternehmen eine zehnjährige Gewährleistungsversicherung abschließen, sofern sie an Bauwerken mitwirken, die möglicherweise der zehnjährigen Gewährleistungspflicht unterliegen:
- Architekten, Unternehmer, Techniker oder sonstige Personen, die mit dem Bauherrn einen Werkvertrag abgeschlossen haben,
- Personen, die ein Bauwerk, das sie errichtet haben oder haben errichten lassen, nach Fertigstellung veräußern,
- Personen, die, obwohl sie als Bevollmächtigte des Eigentümers des Bauwerks handeln, einen Auftrag ausführen, der demjenigen eines Werkunternehmers gleichgestellt werden kann.
Laut der französischen Verordnung vom 8. Juni 2005 besteht für alle Bauwerke eine zehnjährige Versicherungspflicht, mit Ausnahme derjenigen, die ausdrücklich ausgeschlossen sind.
Stets Ausgeschlossen von der Pflicht zum Abschluss der zehnjährigen Gewährleistungsversicherung nach dem französischen Gesetz Spinetta sind: See-, Binnen- und Flussbauwerke, Straßen-, Hafen-, Flughafen-, Hubschrauber- und Eisenbahninfrastrukturen sowie Bauwerke zur Behandlung von Siedlungsabfällen, Industrieabfällen und Abwässern.
Das Gesetz sieht auch vor, dass bestimmte Bauwerke von Natur aus nicht versicherungspflichtig sind (außer wenn sie Nebenbauwerke zu einem Bauwerk sind, das selbst versicherungspflichtig ist). Dabei handelt es sich um folgende Bauwerke:
- öffentliche Straßen,
- Bauwerke für Fußgänger,
- Parkplätze,
- Verschiedene öffentliche Netze, Kanalisationen, Leitungen oder Kabel,
- Bauwerke für den Transport, die Produktion, die Speicherung und die Verteilung von Energie,
- Telekommunikationsanlagen,
- nicht überdachte Sportanlagen.
Eine zehnjährige Gewährleistungsversicherung zu finden, kann sich für ein Unternehmen, das sich neu in Frankreich niederlässt oder dort eine Tätigkeit aufbaut, oftmals als kompliziert erweisen.
Der beste Rat, den wir geben können, ist die Gründung einer juristischen Person in Frankreich, sei es in Form einer ordnungsgemäß gegründeten Tochtergesellschaft oder zumindest einer Niederlassung. Entscheidend ist, dass Sie über eine SIRET-Nummer verfügen, die das Unternehmen in Frankreich referenziert.
Ohne diesen vorherigen Schritt werden sich fast alle Versicherer auf dem französischen Markt weigern, dem Unternehmen ein Angebot zu unterbreiten.
Im Fall einer punktuellen Auftragsübernahme in Frankreich ist es schlichtweg unmöglich, eine zehnjährige Gewährleistungsversicherung „punktuell“, d. h. für einen einzigen Auftrag, abzuschließen. Die einzige Möglichkeit, eine Lösung zu finden, besteht im Abschluss eines Jahresvertrags. Bei der nächsten Fälligkeit kann der Versicherte den Vertrag unter Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen.
Demzufolge muss der Abschluss einer zehnjährigen Gewährleistungsversicherung im Vorfeld organisiert werden, zumal die Analyse und die Antwort der Versicherer oftmals lange auf sich warten lassen. Diese Vorstudie wird auch dazu beitragen, eine klare Vorstellung von den Kosten dieser Versicherung zu erhalten.
Da es sich um eine Pflichtversicherung handelt, wurde in Frankreich ein spezielles Verfahren eingeführt, mit dem eine staatliche Einrichtung mit Sitz in Paris, das Bureau Central de Tarification (BCT), befasst werden kann.
Diese Behörde wird nach einem genau festgelegten Formalismus einen Versicherer verpflichten, eine Lösung für eine zehnjährige Gewährleistungsversicherung bei einer Versicherungsgesellschaft anzubieten, und gleichzeitig den Tarif vorzuschreiben. Das BCT kann erst angerufen werden, nachdem der „klassische“ Rechtsweg ausgeschöpft ist, d. h. durch Vorlage der Ablehnung eines oder mehrerer befragter Versicherungsunternehmen.
Dieses Verfahren ermöglicht es, nur die obligatorische Garantie zu erhalten, was je nach Baustelle unzureichend sein kann und den Nachteil hat, zeitaufwendig zu sein. Es dauert durchschnittlich drei Monate, bis Sie eine Antwort vom BCT erhalten.
Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Tatsächlich hängt die Prämie für die zehnjährige Gewährleistungsversicherung stark von folgenden Kriterien ab:
- ausgeübte Tätigkeiten,
- Existenz einer früheren Versicherungspolice mit einer vom Versicherer erstellten eindeutigen Schadensstatistik,
- voraussichtlicher Umsatz, der mit der Tätigkeit in Frankreich erzielt wird,
- Erfahrung des Unternehmens sowie Präsenz von qualifiziertem Personal in der Region,
- Hinzuziehung von Subunternehmern und deren Eigenschaft,
- etc.
Wie Sie verstanden haben, ist die zehnjährige Gewährleistungsversicherung in unserem Land keine Kleinigkeit und es handelt sich um eine Frage, die vor Annahme eines Auftrags oder Aufnahme einer Tätigkeit in Frankreich geklärt werden muss.
Um eine Lösung zu finden, verfügt Roederer über ein Team von Spezialisten, das Sie bei der Zusammenstellung Ihrer Unterlagen, dem Abschluss einer Versicherungspolice und der Betreuung Ihrer Schadensfälle begleiten kann. Es ist in der Tat sinnvoll, sich auf einen Spezialisten in diesem Bereich zu verlassen, um der Markterschließung in Frankreich gelassen entgegensehen zu können. Kontaktieren Sie uns!
Wenn Sie Fragen haben oder einen Kostenvoranschlag anfordern möchten, können Sie sich sehr gern an unsere Experten wenden!